Unterhaltsberechtigter Ehegatte besitzt ggf. eine Erwerbsobliegenheit

Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte besitzt ggf. eine Erwerbsobliegenheit
– so nach einer Entscheidung des OLG Brandenburg vom 07.08.2014 (9 UF 159/13).
Dieser Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Die Eheleute stritten im Ehescheidungsverfahren in der Beschwerdeinstanz noch über die Frage des nachehelichen Unterhalts. Die Eheleute waren mittlerweile voneinander geschieden. Ihre Ehe wurde 1998 geschlossen. Aus ihrer Ehe ging ein im Jahre 1998 geborenes Kind hervor. Seit 2005 lebten die Eheleute voneinander getrennt. Die Ehefrau zog mit dem Kind aus dem gemeinsamen Haus der Eheleute aus. Der Ehemann war als Bankkaufmann beschäftigt. Die Ehefrau war zum Zeitpunkt der Trennung als selbständige Versicherungsmaklerin tätig. Nach der Trennung war sie für einige Monate im Bereich der Buchhaltung und EDV tätig. Seit 2012 als Bürokauffrau mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden.
Das Familiengericht hatte den Antrag der Ehefrau auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen. Die Ehefrau legte Beschwerde ein und begehrte einen monatlichen Geschiedenenunterhalt in Höhe von € 922,87.
Wie entschied das Gericht?
Das OLG Brandenburg verpflichtete den geschiedenen Ehemann zur Zahlung eines monatlichen Geschiedenenunterhalts in Höhe von € 844,00. Zunächst setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, aus welchem unterhaltsrechtlichten Tatbestand die Ehefrau einen Unterhaltsanspruch innehaben könnte. Ein Unterhaltsanspruch wegen der Betreuung eines minderjährigen Kindes nach § 1570 BGB sah das Gericht aufgrund des fortgeschrittenen Alters des gemeinsamen Kindes nicht als gegeben. Allerdings stellte das Gericht einen Aufstockungsunterhalt der geschiedenen Ehefrau fest. Nach § 1573 Abs. 2 könne ein geschiedener Ehegatte dann, wenn seine Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht zum Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen ausreiche, den Unterschiedsbetrag zwischen seinen Einkünften und dem angemessenen Unterhalt verlangen. Allerdings knüpfte das Gericht hierbei nicht an die von der geschiedenen Ehefrau tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an, sondern vielmehr an eine zumutbare Vollzeittätigkeit und den sich hieraus fiktiv erzielbaren Einkommen. Denn das Gericht sah einen Verstoß der geschiedenen Ehefrau gegen ihre Erwerbsobliegenheit an. Unter Berücksichtigung der Erwerbsbiografie der geschiedenen Ehefrau müsse sich diese ein fiktives Einkommen aus einer zumutbaren vollschichtigen Erwerbstätigkeit in Höhe von bereinigt € 1.076,00 monatlich zurechnen lassen. Die Ehefrau hatte seit annähernd einem Jahr keine ausreichenden Bewerbungsbemühungen entfaltet. Davon hätte sie aber nach Auffassung des Gerichts weder aus Alters- noch aus gesundheitlichen Gründen absehen dürfen. Der Senat betonte, dass die geschiedene Ehefrau eine reale Beschäftigungschance habe. Denn für Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter könne sogar in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahingehend gebildet werden, dass diese nicht vermittelbar seien. Das Gericht ging von einem künftigen Mindestlohn von € 8,50 aus, den eine zwar ungelernte, aber erfahrene Bürokraft durchaus erzielen könne. Hieraus ermittelte das Gericht ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von € 1.470,00. Dies führe bei einer Steuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag von 0,5 zu einem Nettoeinkommen in Höhe von € 1.076,00.
Festzustellen ist, dass nach der Entscheidung des OLG Brandenburg allein der Umstand, dass die geschiedene Ehefrau (möglicherweise schon über Jahre) gegen ihre Erwerbsobliegenheit verstoßen hat, kein Tatbestand der Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs begründet. Eine entsprechende und nach Auffassung des Gerichts ausreichende Sanktion erfolge bereits daraus, dass der geschiedenen Ehefrau ein zumutbares erzielbares Einkommen zugerechnet werde.
Eine Befristung des Unterhaltsanspruches nahm das Gericht nicht vor; dem stünden die feststellbaren und fortdauernden Erwerbsnachteile entgegen.